30.10.2025
Krisen wo man hinschaut. Gefühlt (oder tatsächlich) kommen wir aus dem Krisenmodus gar nicht mehr heraus. Die Frage, die sich da stellt ist, wie soll man mit Krisen umgehen? In Unternehmen ist die Antwort auf Krisen oft vorhersehbar: Mit autoritärem Führungsstil. Es wird straff durchgegriffen. Warum ist dieses Vorgehen so beliebt? Ist es auf Dauer wirklich zielführend? Und welche Alternativen gibt es? Darum geht es hier in diesem Text.
Wie soll man mit den aktuellen Herausforderungen umgehen?
Führung in Krisenzeiten - je straffer, desto besser?
Auch in anderen gesellschaftlichen und politischen Bereichen lässt sich dieser Trend beobachten: Vielerorts suchen Menschen gerade in Krisenzeiten nach "einfachen" Lösungen und nach starken, dominanten bis autoritären, Sicherheit versprechenden Führungsfiguren. Gemäß der "Great Man Theory" [...] ist genau das die Lösung in unsicheren Zeiten, dass ein starker Mann in der Krise allein den Kurs vorgibt.
Der neue Kurs in den Unternehmen: Vorgaben statt Partizipation; Leistungskontrolle statt Selbstorganisation.
Das, was derzeit in vielen Unternehmen geschieht, kommt also nicht ganz unerwartet. Die prominentesten Beispiele aus der Wirtschaft liefern zwei Konzerne, deren Chefs zuletzt mit einem besonders rigiden Führungsstil aufgefallen sind. Bei Thyssenkrupp treibt Vorstandschef Miguel López die Sanierung mit Tempo und Härte voran. Stellenstreichungen inklusive [...] und auch bei SAP ist der Ton rauer geworden. Vorstandschef Christian Klein verlangt nicht nur mehr Präsenz im Büro, sondern streicht auch Teile der Diversitätsstrategie. Leistungskontrolle statt Selbstorganisation – das ist das neue Leitmotiv.
(Wie lange) kann das gutgehen?
Kann das gutgehen? Ja - Experten meinen: Das kann funktionieren. Kurzfristig. Doch mittel- bis langfristig sieht es schon anders aus: Kontrolle wird zur vermeintlichen Sicherheit, erstickt aber die Kreativität und Eigenverantwortung, die Teams gerade jetzt brauchen. Viele versuchen zudem, neue Probleme mit alten Herangehensweisen zu lösen – sie greifen auf bekannte Werkzeuge und Muster zurück, die in stabilen Zeiten vielleicht funktioniert haben, in komplexen Situationen jedoch oft ins Leere laufen. Ein weiterer Rückfall ist die „Ansagekultur”: Führungskräfte glauben, sie müssten wieder alle Antworten selbst liefern. Dabei geht es in der Krise weniger um Wissen als um das Ermöglichen von Lernen und Entwicklung. Wer Komplexität mit Autorität beherrschen will, verliert die kollektive Intelligenz seines Teams.
Daher sagen auch Experten wie Ralf Lanwehr von der Fachhochschule Südwestfalen: "Autoritäre Führung kann in akuten Krisen sinnvoll sein – aber nur für kurze Zeit". Auch die renommierte Leadership-Forscherin Heike Bruch von der Universität St. Gallen warnt: Wer alte Muster reaktiviert, riskiert mehr Schaden als Nutzen. "Dienst nach Vorschrift, sinkende Eigeninitiative und mangelnde Verantwortungsbereitschaft sind die Folge", sagt sie. Wer nur auf Kontrolle setze, verspiele das Vertrauen der Belegschaft – und damit oft auch deren Engagement.
Die Zukunft der Führungskultur: Menschlichkeit, Selbstorganisation und klare Verantwortung.
Wie kann man es besser machen?
Ein Blick auf die Systemtheorie von Donella H. Meadows zeigt, dass hierarchische Strukturen vordergründig zwar Stabilität, Geschwindigkeit und Steuerbarkeit bieten. Weshalb sie in akuten Krisen - wie beim Löschen eines Großbrandes - das sinnvolle Mittel der Wahl sind.
Jedoch zeigt sich, dass dies oft auf Kosten der Innovationsfähigkeit und Flexibilität geht: Feuerlöscher-Drohnen sind nicht im Kommandoton erfunden worden. Unternehmen, die auf Selbstorganisation und Resilienz setzen, profitieren hingegen klar von adaptiven, dezentralen und schnell agierenden Strukturen. Diese notwendige Resilienz von Organisationen kann jedoch nur erhalten bleiben, wenn - auch und gerade in Krisen - die Balance zwischen Hierarchie und Selbstorganisation gewahrt wird.
- (Organisationale) Resilienz: https://www.dnla.de/news/resilienz-krisen-ueberwindungs-kompetenz-warum-sie-gerade-heute-so-wichtig-ist
- Rolle von Führungskräften in Krisenzeiten: https://nwx.new-work.se/themenwelten/fuehrung/laura-bornmann-uber-fuhrung-in-der-krise-vertrauen-entsteht-nicht-durch-perfekte-antworten-sondern-durch-haltung
Laura Bornmann* ist Organisationsberaterin, Coach und eine der profiliertesten Stimmen, wenn es um moderne Führung in Zeiten radikaler Veränderung geht. Im Interview spricht sie über die neue Rolle von Führungskräften, die nicht länger durch Kontrolle, sondern durch Klarheit und Vertrauen Wirkung erzielen. Denn Führung in der Krise bedeute, Unsicherheit nicht zu bekämpfen, sondern sie zu gestalten – mit Selbstkenntnis, Empathie und der Fähigkeit, Widersprüche auszuhalten.
NWX Magazin: Frau Bornmann, was unterscheidet Führung in der Krise von „klassischer“ Führung in stabilen Zeiten?
Laura Bornmann: In stabilen Zeiten funktionierte die Formel: Ansage plus Kontrolle gleich Ergebnis. Man verließ sich auf bewährte Muster, Routinen und Planbarkeit. In der Krise brechen diese Sicherheiten weg. Menschen erleben Unsicherheit, Orientierungslosigkeit und teils auch Angst. Führungskräfte müssen heute mehr Orientierung geben – nicht durch starre Ansagen, sondern durch Klarheit im Denken, Transparenz im Handeln und eine klare Haltung. Führung bedeutet nicht mehr, Lösungen vorzugeben, sondern Räume zu schaffen, in denen Neues entstehen kann. Führungskräfte müssen außerdem lernen, Ambivalenzen auszuhalten und Widersprüche nicht als Fehler, sondern als Teil der Realität zu begreifen. Die Rolle verschiebt sich grundlegend: vom Steuernden zum Ermöglicher, vom Wissenden zum Fragenden, vom Kontrolleur zum Vertrauensgeber.
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Empowerment, Reflexion, Innovation, Selbstorganisation: https://www.new-work-frame.com/de/brainfood/230-fuehrung-in-krisenzeiten-warum-verantwortung-wichtiger-ist-als-hierarchie
Laut einer Studie von McKinsey greifen Menschen in unsicheren Phasen intuitiv zu klaren Strukturen und zentralisierten Entscheidungsmodellen, da sie Stabilität versprechen. Gerade in Krisenzeiten gewinnen hierarchische Systeme an Attraktivität, da sie scheinbar schnelle, eindeutige Entscheidungen ermöglichen – ein Faktor, der in selbstorganisierten Teams oft nur nach intensivem Training zu erreichen ist.
Allerdings zeigen Forschungsergebnisse, dass Unternehmen, die auf langfristige Resilienz und Flexibilität setzen, mit einem Mix aus Empowerment und Führung deutlich erfolgreicher sind. Führungskräfte, die als „Katalysatoren“ agieren und Teams zur Selbstorganisation befähigen, schaffen eine Kultur, die nicht nur in Krisenzeiten belastbar, sondern auch innovationsfähig ist. Denn auch in der Krise gilt: Wenn entscheidungsrelevantes Wissen dezentral verteilt ist, kann die Entscheidung nicht zentral getroffen werden.
In dem 2023 erschienen Artikel beschreibt McKinsey & Company verständlich das "New Leadership for a new era of thriving organizations".
Ein Blick auf die Systemtheorie von Donella H. Meadows zeigt, dass hierarchische Strukturen vordergründig zwar Stabilität, Geschwindigkeit und Steuerbarkeit bieten. Weshalb sie in akuten Krisen - wie beim Löschen eines Großbrandes - das sinnvolle Mittel der Wahl sind.
Jedoch zeigt sich, dass dies oft auf Kosten der Innovationsfähigkeit und Flexibilität geht: Feuerlöscher-Drohnen sind nicht im Kommandoton erfunden worden. Unternehmen, die auf Selbstorganisation und Resilienz setzen, profitieren hingegen klar von adaptiven, dezentralen und schnell agierenden Strukturen. Diese notwendige Resilienz von Organisationen kann jedoch nur erhalten bleiben, wenn - auch und gerade in Krisen - die Balance zwischen Hierarchie und Selbstorganisation gewahrt wird.
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